Franco`s Story

 

Franco ist ein kleiner Kater mit vielen Handicaps, aber mindestens genauso viel Lebensfreude. Er hat eine sehr bewegte Geschichte hinter sich.

Wie alles begann.....

Wenn ich heute diese Bilder sehe, zittere ich immer noch. Das war Franco an dem Tag im Jänner 2020, als er bei uns eingeliefert wurde. Ein alter Mann stand vor dem Tierheim mit einer bereits fast leblosen Katze im Arm. Der Sohn des Mannes war verstorben, der Kater wurde im leerstehenden Haus gefunden. Leider wusste der Vater nichts über den Kater und seine Geschichte, er wusste nur, dass er sich bedingt durch den Verlust seines Sohnes weder emotional noch finanziell um das kleine Bündel kümmern konnte und er Hilfe brauchte.

 

Wir waren geschockt, Franco musste schon einige Zeit ohne Futter und Wasser im Haus gelegen sein. Er stank fürchterlich, hatte beidseits an den Oberschenkel Anzeichen von Dekubitus und seine Haut war bereits durchgerissen und stellenweise abgestorben. Er war voller Urin. Franco hatte hohes Fieber, war kaum ansprechbar, verfiel immer wieder ins Delirium. Er zuckte in Seitenlage unaufhörlich mit den Beinen, als wolle er von irgendetwas davonlaufen - es war kein  schöner Anblick. Wir nahmen uns sofort seiner an und unsere Tierärztin leistete erste Hilfe. Anschließend wurde Franco in eine Klinik überstellt, da ein Röntgen und eine rasche Blutkontrolle von Nöten waren.

 

Dort zeigte sich dann das volle Ausmaß der Katastrophe. Franco war nicht nur dehydriert, abgemagert, fiebrig und wund.... Nein, er hatte eine schwere, angeborene Behinderung. Seine Wirbelsäule ist stark deformiert, weshalb er keine Kontrolle über seine Hinterbeine hatte und auch selbständig keinen Harn absetzen kann. Franco konnte seine Beine zwar bewegen, konnte aber weder darauf stehen, noch laufen. Seine Blase war eine "Überlaufblase", das heißt, er verlor permanent Urin, was wohl auch zusätzlich noch dazu führte, dass er überall wund war. Franco wurde in der Klinik so gut es ging stabilisiert, das abgestorbene Gewebe wurde abgetragen, seine Wunden wurden versorgt. Er wurde dann rasch wieder in unsere Pflege übergeben, da er wortwörtlich 24Stunden-Pflege benötigte.

Ich übernahm den kleinen Kerl daher sofort in häusliche Pflege, da ich durch meine anderen Handicap-Katzen bereits Erfahrung mit blasengelähmten Katzen hatte. So weit so gut, die Blasenleerung war kein Problem. Franco war fortan "trocken" und seine Haut im Intimbereich konnte sich erholen. Franco wirkte geradezu so, als sei er diesen Handgriff sogar gewöhnt. Vielleicht hatte sich sein Besitzer bevor er starb immer um ihn gekümmert? Hat er ihn immer gepflegt und war in den letzten Wochen vielleicht durch seine eigene Krankheit nicht mehr dazu in der Lage? Der alte Mann hat uns Franco damals mit den Worten "Vielleicht lebt mein Sohn wenigstens in der Katze weiter" übergeben. Ich bekomme heute noch Gänsehaut wenn ich daran zurückdenke, jedoch konnten wir zu Franco`s Vorgeschichte nichts mehr in Erfahrung bringen.

 

Die ersten Wochen waren geprägt von Hoffnung und Verzweiflung gleichermaßen. Hoffnung: Franco war, als sein Fieber erstmal weg war, ein totaler Sonnenschein. Schmusen, schnurren, Spielen im Rahmen seiner Möglichkeiten.... Trübsal blasen kannte er nicht. Verzweiflung: Er konnte NICHTS alleine. Nicht stehen, nicht fressen, nicht aufs Klo, sich nicht bewegen. Franco brauchte rund um die Uhr Betreuung. Tagsüber war er mit in der Arbeit, abends bei uns auf der Couch, nachts in einem dick gepolsterten Schlafbereich in meiner Nähe. Egal ob aufstehen, Frühstück, Arbeit, Freizeit, Schlafengehen... Franco war immer mit dabei, denn ihn längere Zeit alleine zu lassen, war unmöglich. Natürlich fragte ich mich: Wie soll der kleine Kerl weiterleben? Was wird er für ein Leben haben? Er ist noch so jung - wie kann er DAMIT alt werden? Es war ein "auf und ab" in emotionaler Hinsicht. Hoffnung und Verzweiflung, 50/50.

Guter Rat war teuer....

Nun standen wir also da. Ein kleiner Kater, der leben will, aber keiner wusste, wie er leben wird können. Ich sagte mir immer wieder vor: Wir haben nichts zu verlieren. Selbst wenn er ein frühes Ende finden würde, er soll es JETZT so schön wie möglich haben. Es gab gute und es gab schlechte Tage. Seine Wunden brauchten über zwei Monate, um zu heilen. Die Wunden wurden gelasert, 4-5 x täglich neu verbunden und mit medizinischer Honigsalbe behandelt. Ich fand mit der Zeit die beste "Verbandstechnik": Franco trug eine Hose, darunter gepolsterte Wundauflagen mit der Honigsalbe. Durch die Hose waren die Wundauflagen gut platziert und verrutschten nicht ständig. Franco gewöhnte sich an die Prozedur und hat sich rasch an sein Leben als "Hosentiger" gewöhnt. Die Hosen begleiteten uns monatelang. Ich bin froh, dass er so ein unkomplizierter Kerl ist, denn kaum eine andere Katze hätte das wohl einfach so akzeptiert.

 

Wir begannen, uns umzuhören. Hatte jemand schon so einen Fall? Erfahrungswerte? Was kann man tun? Durch einen Tipp stellte ich Kontakt mit einer auf Physiotherapie spezialisierten Tierärztin her. Wir starteten mit einfachen Übungen im Liegen. Es ging darum, Franco`s fehlgeleitete Nervenimpulse in normale Bahnen zu lenken. Franco schlug aus und trat aus wie ein Pferd, sobald er "Bodenkontakt" an den Hinterbeinen spürte. Seine Nerventätigkeit war völlig überschüssig und übersensibel, "auf den Beinen stehen" damit unmöglich. Auch hatte er keinerlei Muskeln.

 

Wir hatten also erstmal einen Plan: Physiotherapie, Laserbehandlungen, Akupunkturbehandlungen, kurzum: alles versuchen. Wir würden Franco weiter aufpäppeln, sodass er narkosefähig wird, damit ein CT vorgenommen werden kann. Nur mittels CT würden wir Gewissheit bekommen, ob Franco`s Missbildung ev. durch eine Neuro-OP behoben bzw. gelindert werden könnte.

OP ja oder nein? Der große Moment....

Im März 2020 war es dann so weit, Franco war stabil genug fürs CT. Wir fuhren zum Spezialisten, der beurteilen würde, ob Franco von einer OP der verengten Nervenkanäle profitieren würde oder nicht. Solch ein Eingriff ist ein enormes Risiko, könnte aber auch der große Durchbruch sein, auf den wir alle hofften. Die Erwartungshaltung war daher naturgemäß sehr groß.

 

Doch leider... es sollte nicht sein. Im CT zeigte sich, dass die missgebildeten Areale bereits viel zu stark verknöchert sind und viel zu stark verengt, um sich hier durch eine OP eine klare Besserung zu versprechen. Sicher hätte man es einfach auf gut Glück "probieren" können, jedoch waren sich alle beteiligten Spezialisten einig, dass das Risiko realistisch gesehen in keinem Verhältnis zum zu erwartenden Nutzen stand. Wir entschieden uns daher gegen eine OP, Franco hätte davon leider nicht profitiert.

 

Nun waren wir erstmal niedergeschmettert. Also ist sein Zustand nicht veränderbar. Was machen wir jetzt. Wie solls weitergehen. Wieder einmal stellten wir uns diese Fragen. Was tat Franco einstweilen? Spielen, schnurren, schmusen. Verzweiflung? Keine Spur bei ihm. Jedesmal wenn ich zweifelte, zeigte ER, "ach Gott, is halt so, komm her und spiel mit mir". Aufgeben konnten wir nicht, irgendeine Lösung für sein Leben musste es doch geben. Also: weitermachen. Physio. Übungen. Nicht aufgeben.

Alltag kehrt ein....

Wir hatten uns also entschlossen. Weitermachen, weil aufgeben tut man nur einen Brief. Meine größte Sorge war, wie wird Franco je ein "normales" Leben führen können, denn auf ewig mit mir mit in die Arbeit fahren wird irgendwann sicher nicht mehr so schön für ihn  sein. Er hat zwischenzeitlich Freundschaften zu meinen Katzen geschlossen und krebste auf seine Art und Weise wahnsinnig gerne auf seiner Teppichlandschaft im Haus umher. Aber wie soll er ohne Hilfe während meiner Arbeitstage zuhause bleiben können? Das Ziel war es, ihm bestmögliche Lebensqualität zu verschaffen. Aber wie? Lange Zeit habe ich mir darüber den Kopf zerbrochen.

 

Letztlich kam dann aber alles von ganz alleine. Franco wurde immer mehr Teil vom Alltag, wurde Teil der Handicap-Truppe. Schrittweise wurde die Einrichtung im Haus an Franco`s Bedürfnisse angepasst. War etwas gefährlich, kam es weg. Brauchte er wo Unterstützung, schafften wir entsprechende Hilfsmittel an. Vor allem feste, stabile Teppiche waren wichtig, da er sich darauf am besten halten konnte. Mittlerweile bewegte er sich immer öfter einfach mit den Vorderbeinen fort, bekam vorne richtige "Schwarzenegger-Muskeln". Aber auch seine Hinterbeine machten Fortschritte. Der Muskelaufbau ging vonstatten. Stehen? Mitterweile kein Problem mehr. Wir machten Übungen im Dreibein-Stand, Balanceübungen, Gehübungen. Zwar kann man das, was er tut, lange nicht "gehen" nennen, aber er kommt voran. Wir halten weiter an der Physiotherapie fest, um den bereits erreichten Status zu erhalten und zu festigen. 

Franco: "Geht nicht? Gibts nicht!"

"Geht nicht? Gibts nicht!" - das wurde zu Franco`s Motto. Mit der Zeit war er im ganzen Haus unterwegs und legte die Strecke auch schon relativ flink zurück. Er braucht dazu Teppiche, da er auf glatten Böden rutscht. Wo er hinwill, kommt er jedoch hin. Die Couch wird erklettert, ja sogar die Kratzbäume. Er hangelt sich hinauf und auch wieder hinunter. Hat er sich in eine Situation gebracht, wo ein "hinunterhangeln" nicht mehr so einfach klappt, ist er einfallsreich. "Ah, da steht ein Körbchen! Plumps, weich gelandet, alles OK!" Mir blieb zwar mehr als einmal halb das Herz stehen, aber Franco löste solche Probleme immer mit großem Ehrgeiz. Ich lernte immer weiter dazu, wie die Einrichtung aussehen muss, damit er gefahrlos und auch ohne Aufsicht einfach "frei" sein darf.

 

Dann kam der größte Durchbruch.... Franco entdeckte den (abgesicherten) Garten für sich. Immer wieder schon wollte er durch die große Katzenklappe hinausklettern. Irgendwann war es dann so weit, er war davon nicht mehr abzubringen. Er wollte dahin, wo auch die anderen Katzen sind. Ok, ich zerbrach mir den Kopf. Wie? Wir haben Terrassensteine und Rasen. Was tun damit er auf den Terrassensteinen klar kommt, ohne sich zu verletzen?! Wir legten draußen im überdachten Terrassenbereich große Teppiche aus. Im nicht wettergeschützten Teil kamen alte Läufer und Outdoorteppiche zum Einsatz. Franco hat sofort verstanden, dass diese Teppiche FÜR IHN ausgelegt sind. Er benutzt brav die "Teppichbahnen" und ist kaum auf den Steinen unterwegs. Allerdings hat er auf den Steinen trotzdem relativ viel "Grip", was letztlich für seine Fortbewegung gar nicht so schlimm war, als zuerst gedacht. Klar darf er sich nicht nur auf den Steinen aufhalten, sonst würden offene Stellen drohen. Aber wenn er mal ein paar Minuten "abseits" ist, klappt es zum Glück trotzdem ganz gut.

Im Gras ist Franco "in seinem Element". Es ist wie für ihn gemacht: ein großer grüner "Teppich" so weit man schaut. Dort kann er sich austoben und ist happy. Mittlerweile kann ich ihn bei Schönwetter kaum mehr drinnen behalten, er möchte unbedingt draußen raus ins Abenteuer. Fliegen, Ameisen, Grashalme, Vogerl anschauen.... das gefällt ihm. Auch im Garten wurde einiges angepasst. Alle Rosen wurden eleminiert, denn Verletzungen durch Dornen wollten wir vermeiden. Es waren einige Anpassungen von Nöten, mittlerweile kann er sich aber auch im Garten "auf eigene Faust" aufhalten, ohne das ihm die seiner Meinung nach auch manchmal ganz schön nervige (Helicopter-) Mama auf Schritt und Tritt begleitet. Jetzt kann er draußen oder drinnen sein, je nachdem, wie er mag.

Das Training geht weiter....

Nun möchte man meinen, wir hätten alles erreicht was wir wollen und können uns auf den Lorbeeren ausruhen. Pustekuchen! Franco braucht regelmäßige Physiotherapie, um ihn auf seinem jetzigen Stand zu halten. Der Muskelaufbau an den Hinterbeinen ist ein hochgestecktes, langwieriges Ziel mit dem Fazit: Man ist nie "fertig"! 


Mittlerweile haben wir uns das volle Equipement auch für Zuhause angeschafft. Wir möchten dadurch verhindern, dass seine Hinterextremitäten verkümmern und sich zunehmend versteifen. Ohne gezieltes Training wäre er nämlich nicht in der Lage, die Hinterbeine so einzusetzen, wie er es jetzt bereits tut. Die Physiotherapie ist daher unser ständiger Begleiter geworden. 


Auch entkrampfende Übungen und Massage ist sehr wichtig für ihn. Franco neigt zu spastischen Krämpfen in den Hinterbeinen, benötigt daher nicht nur Muskelaufbau, sondern auch gezielte Muskelentspannung. 

Blick in die Zukunft....

Franco ist bei uns "angekommen". Er hat seine Katzenfreunde, ist im Haus und im Garten auf eigene Faust unterwegs. Mittlerweile muss er auch nicht mehr mit in die Arbeit fahren.

 

Punkto Futtermanagement sind wir schon so weit angekommen, dass die Blasenentleerungs-Intervalle entsprechend funktionieren. Wie auch bei meinen anderen blasengelähmten Katzen ist dafür ein guter Zeitplan nötig, je nachdem, wieviele Stunden bis zur nächsten Entleerung vergehen werden. Ich muss die Fütterung diesen Intervallen anpassen. Wichtig ist, dass die Bilanz am Ende des Tages stimmt.

 

Es braucht natürlich einen eisernen Zeitplan und Disziplin, um solche Katzen in einen normalen Berufsalltag einzubinden. Ich stehe gegen 4:00 auf, um Franco (und die anderen...) zu entleeren und erstmal zu füttern. Dann werden alle anderen Katzen versorgt, Katzenklos geputzt.... alles erledigt, was halt zu erledigen ist. Kurz bevor ich in die Arbeit fahre - da ist die Fütterung dann schon gut zwei Stunden her - wird Franco nochmals geleert, damit die Blase definitiv leer ist, wenn ich fahre. Franco kann den Tag dann mittlerweile komplett so verbringen, wie er möchte. Wohnzimmer, Garten, Schlafzimmer.... er hat die freie Wahl und schafft auch die Katzenklappe jetzt schon mit links. 

 

Sobald ich heimkomme, ist dann das allererste wieder: die Blase entleeren, also mit Franco Pipi gehen. Auch abends ist das allerletzte vorm Schlafengehen: nochmal mit Franco Pipi gehen. Einfach so mal frühabends "tot umfallen" und früh schlafengehen spielt es nicht, Franco braucht gegen 23:30 nochmals eine Entleerung vor dem Schlafengehen, und das täglich. Und gegen 4:00 gehts dann wieder los. Das wäre sicher nicht jedermanns Sache, aber man gewöhnt sich daran.

 

Leider kann niemand sagen, wie hoch seine Lebenserwartung sein wird. Seine Organe haben durch die Wirbelsäulenmissbildung viel weniger Platz als bei einer "normalen" Katze. Die größte Angst war, dass durch das Wachstum ev. einmal die Lunge zu stark komprimiert werden würde. Zum Glück ist Franco nun aber bereits ausgewachsen und bekommt gut Luft. Mittlerweile hat er von abgemagerten 2,1 kg auf 3,6 kg zugenommen. Er braucht überdurchschnittlich viele Mahlzeiten am Tag, da seine Art der Fortbewegung ganz schön viel Energie verbrennt. Anfangs kämpfte er auch mit einem Leberproblem, seine Werte haben sich aber durch entsprechende Therapie deutlich gebessert. Dennoch, in Sicherheit wiegen können wir uns leider nie. Er wird ein "Sonderfall" bleiben und wie hoch seine Lebenserwartung sein wird, wird mir niemand vorhersagen können.

 

Aber eines weiss ich: Es wird ihm gut gehen, solange es möglich ist. Egal ob es fünf oder fünfzehn Jahre werden, wir werden alles menschenmögliche Tun, damit der kleine Kämpfer es gut haben wird.

 

Ein großes DANKE gebührt allen Spendern und Unterstützern, die dem Tierheim Dechanthof bei Franco`s medizinischer Betreuung und Physiotherapie mit Geldspenden geholfen haben. Franco befindet sich "in Pflege" bei mir, für die medizinischen Kosten kommt das Tierheim dank der vielen Unterstützer und Spender auf. Ein großes DANKE dafür! Wer bei Franco`s Versorgung mithelfen möchte: Patentier-Seite von Franco (Tierheim Dechanthof)